Energieforum in Merseburg

22.10.2022

„Die Lage wird prekärer!“

Wissenschaft und Wirtschaft eine Stimme geben – das ist eine Devise, die zwar häufig betont aber nicht gelebt wird. Gefühlt beherrschen aktuell zu kurz gedachte ideologische Parolen und Fake News das Meinungsbild. Insbesondere die krisenhaften Zustände um Inflation, eklatant steigende Preise und Angst vor einem Zusammenbruch des Stromnetzes befeuern extreme, populistische Positionen. Grund genug für den CDU-Kreisverband Saalekreis eine Veranstaltung zur Thematik Energieversorgung zu organisieren.

Am Dienstag, den 18.10.2022 kamen rund 80 interessierte Bürgerinnen und Bürger ins Ständehaus, um mit den Experten ins Gespräch zu kommen. Neben den Landtagsabgeordneten Sven Czekalla und Marco Tullner lauschten auch die Bürgermeister Sebastian Müller-Bahr, Bellay Gatzlaff und Christoph Schulze sowie CDU-Landesgeneralsekretär Mario Karschunke und Landesgeschäftsführer Mario Zeising der Diskussion.

Rede und Antwort standen uns ausgewiesenes Fachpersonal aus Wissenschaft und Wirtschaft: Prof. Dr. Thomas Brockmeier, Hauptgeschäftsführer der IHK Halle-Dessau
Dr. Christiane Diehl, Generalsekretärin des Wissenschaftsrates der europäischen Akademien (EASAC), Dr. Christof Günther, Geschäftsführer der InfraLeuna GmbH und Prof. Dr. Oliver Holtemöller, Vizepräsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle.

Ein besorgniserregendes Bild vom Chemiestandort zeichnete zu Beginn Dr. Günther. Leuna sei in den vergangenen Jahren stark gewachsen und habe sich sehr gut entwickelt. Gegenwärtig müssen am Standort aufgrund fehlender Ressourcen Chemieanlagen reduziert, teilweise abgestellt werden. Dies bedeute zwangsläufig auch eine Personalfreisetzung. Die Situation in Leuna werde jeden Tag prekärer, weshalb dringend Hilfe notwendig sei, um Schäden abzuwenden. Denn eins ist sicher: Wenn Leuna nicht produziert, wird es zu großen Lieferengpässen weit über die Grenzen Mitteldeutschlands hinaus kommen.

Prof. Brockmeier bestätigte die Schilderungen Günthers, auch aus Sicht der Betriebe des IHK-Bezirkes Halle-Dessau. Er forderte, dass die Knappheit zu reduzieren sei. Alle Gas- und Stromerzeugungen müsse man in den Markt einspeisen, um die Preise zu stabilisieren und reduzieren. Ein großes Problem, das aktuell sicher jeder schon einmal erlebt hat, stelle für Brockmeier das reflexhafte Nein-Sagen in Bezug auf bestimmte Begriffe, wie beispielsweise Atomkraft oder ersatzweise Öffnung von Nord Stream 2, dar. Wissenschaftliche Politikberatung benötige jedoch eine Akzeptanz der Argumente und keine strikte Ablehnung aufgrund einer Ideologie oder des Mainstreams.

Als Mitverantwortlicher des Herbstgutachtens der Wirtschaftsforschungsinstitute für die Bundesregierung sprach Prof. Holtemöller über die modellhaft berechneten Szenarien der Auswirkungen der aktuellen Krise. Gesetzte Emissionsreduktionsziele könne man beispielsweise nur noch erreichen, wenn man die Produktion drossele. Hinzu kommt der auf 100 Milliarden Euro berechnete Kaufkraftabfluss, der zum einen bedeute, dass diese Summe mehr ans Ausland gezahlt werde und zum anderen, dass nicht alle entlastet werden können. Um eine Gasmangellage zu verhindern, so Holtemöller, müsse man ein Einsparungsziel von 20 % erzielen und vor allem auf einen milden Winter hoffen. Das Wetter – also ein kalter oder milder Winter – sei ein zentraler Aspekt für alle Modellberechnungen gewesen.

Dass die Krise aus europäischer Sicht auch als Chance betrachtet werde, hat Dr. Diehl hervorgehoben. Denn im Bereich Energie sei man in der Europäischen Union besser aufgestellt als beispielsweise beim Gesundheitswesen. Zwar seien einzelne Netze noch nicht gut genug miteinander verknüpft, die Aktualisierung des European Green Deals und die Aufsetzung des REPowerEU-Programms beschleunigt jedoch die Vernetzung.

Die Diskussionen haben gezeigt, dass der argumentative Austausch in der hiesigen Debatte zu kurz kommt. Parteipolitik und Ideologie geben in der Ampel-Regierung den Ton an. Wir als CDU im Saalekreis nehmen die Sorgen und Nöte der Bürgerinnen und Bürger ernst. Deshalb war unser Veranstaltungsangebot unterstützt durch Wirtschaft und Wissenschaft richtig und wichtig.

Der CDU-Kreisverband Saalekreis bereitet gegenwärtig das zweite CDU-Forum zur Energieversorgung vor. Schwerpunkt der kommenden Veranstaltung sollen die Technologien sein, die hinter unserer Energieversorgung stehen.